Nach 18 Monaten mit dem ID.3 ist es dann doch einmal an der Zeit, eine kleine Zusammenfassung von den Erfahrungen aufzuschreiben, die wir bei der täglichen Nutzung des Fahrzeugs so bemerkt haben.
- Was das Auto betrifft: es fährt. Man versucht zwar anfangs noch den Schlüssel einzustecken oder greift nach dem Hebel ins Leere, aber das legt sich schnell mit der Zeit. Das liegt daran, dass der Hebel in der Mittelkonsole zum Einstellen der Fahrstufen oder der Rekuperationsstufen abgeschafft worden ist. Dafür gibt es nun einen Fahrstufenschalter mit Taste für die elektronische Parkbremse am Lenkrad. Ferner wird der Funk-Schlüssel vom Auto erkannt, wenn er sich im Innenraum des Fahrzeugs befindet, also auch in der Hosentasche bleibt. Geht es dann los, so achte man darauf, das Fahrpedal sehr behutsam und mit viel Gefühl zu betätigen, denn das Beschleunigen und das Bremsen erfolgt sonst doch sehr ruppig. Man möchte schließlich auch nicht von sich in der Zeitung lesen, Bremse und Fahrpedal verwechselt zu haben.
- Bei den neu angeschafften Autos war mein erster Griff der zur Betriebsanleitung. In früheren Zeiten waren diese sehr informativ so dass man sich einen Überblick verschaffen konnte, welche Dinge neu hinzugekommen sind. Daher wusste man im Zweifel, welche zusätzlichen Möglichkeiten das Auto bereithielt. Eine solche Betriebsanleitung erwartete ich im Handschuhfach, damit ich sie herausnehmen und am Abend in Ruhe auf dem Sofa mehr oder weniger intensiv studieren konnte. Was VW im ID.3-Handschuhfach allerdings zur Verfügung stellt, ist ein „Read Me“ in Heftchenform – ein Witz! Ich habe zu Beginn des Heftchens Links und Hinweise zu Apps und eine gewisse Übersicht über sinnvolle und mögliche Installationsmöglichkeiten (Handy, Desktop etc.) erwartet. Nicht dass eine vollständige Bedienungsanleitung gedruckt im Auto vorhanden sein muss, aber dass ich deswegen im Netz recherchieren muss, ist ein Indiz für eine nicht ausgereifte Benutzerführung. Dort gibt es eine Betriebsanleitung, wenn man versucht, sie mit einer Suchmaschine zu finden. Man nimmt das zum Lesen und geht davon aus, dass es eine aktuelle Anleitung und sie tatsächlich von VW autorisiert ist. Es gibt aber eine Betriebsanleitung ‒ im Auto zu lesen. Nützlich für unterwegs, aber im Winter setze ich mich doch nicht ins Auto, um dort eine Übersicht über die Möglichkeiten des Fahrzeugs zu bekommen. Und alles weiß man in der Tat nicht.
- Nach einer gewissen, kurzen Zeit ist das Auto schmutzig und ich würde es gerne waschen lassen. Auf Grund der fortgeschrittenen technischen und vor allem elektronischen Ausstattung ist es offenbar nicht mehr so einfach möglich, in eine Waschanlage mit Förderband zu fahren, ohne einen Lehrgang absolviert zu haben. Jedenfalls habe ich mich schon einige Stunden mit der Frage beschäftigt, welche Dinge zu beachten sind und wie das im Einzelnen in der Situation an der Waschanlage durchzuführen ist, ohne dass es in Stress ausartet. Aus der Diskussion mit meinem Sohn (23) erlaube ich mir zu zitieren:
Ich frag mich, warum es zum Geier heutzutage keinen Waschstraßenmodus gibt? Das sind ja mittlerweile so viele Funktionen, die man deaktivieren muss. Das ist ja schlimm.
- Deshalb habe ich eine eindringliche Bitte an VW geschrieben: Stellen Sie in den Anleitungen in einem Extra-Kapitel zusammenhängend dar, was bei den unterschiedlichen Waschanlagen zu beachten ist und programmieren Sie einen Waschstraßenmodus. Immerhin macht Tesla das auch schon, siehe hier. Folge: Gewaschen wird in einer Portalanlage. Da fährt der Lappen am Auto vorbei und nicht das Auto am Lappen.
- Übrigens ist mir noch Folgendes unangenehm aufgefallen, was aber nichts direkt mit dem ID.3 zu tun hat, aber ein Symptom darstellt: Die VW-Webseiten bieten auf sehr viel Raum mit schönen Werbebilder wenig Übersicht, die wesentlichen Dinge schnell zu finden. Ziel ist offenbar eine Kundenbindung durch Verlängerung der Aufenthaltsdauer auf der VW-Seite. Dabei wird der Datenschutz enorm angepriesen durch ständige Hinweise und Verlinkungen, die ein gesuchtes Ziel vorgaukeln, aber letztlich nur mitteilen, dass gewisse Daten benutzt werden (müssen). Das ist einfach nach mehreren Malen schrecklich, überflüssig. Die ist mir schon bei der Verwaltung des e-Golfs (2017) unangenehm aufgefallen. Bis heute hat sich das nicht geändert.
- VW stellt dann noch die App We Connect ID. zur Verfügung. Im Reiter Auto wird die Restreichweite und der Ladestand in Prozent ausgewiesen. Dazu kommt die Möglichkeit, das Auto über das Internet zu klimatisieren. Der Zielladestand – Standard ist 80 % – kann ebenfalls gewählt werden. Was allerdings fehlt ist die Information über den aktuellen Kilometerstand. Muss ich dazu wirklich zum Auto laufen, es aufschließen und mir die Anzeige merken? Natürlich könnte es Gründe geben, diese Information nicht über die App zu verbreiten. Dies wird aber nirgendwo erklärt. Der Routenplaner ist mittlerweile Standard und unterscheidet sich nicht wesentlich von denen der anderen Ladestromanbieter (Autostrom). Im dritten Reiter steckt bei Laden unterwegs Werbung für Elli bzw. der Zugang zu Elli. Bei Laden zu Hause landet man schließlich bei der Möglichkeit VW-spezifische Wallboxen zu verknüpfen – klar, welche sonst? Weitere Möglichkeiten zur Ladeorganisation, zur Einrichtung einer Internetverbindung für Mitfahrende und Kontaktaufnahme mit dem Service von VW werden angeboten. Benutzt habe ich das bis auf einen kostenlosen Monat Internet nicht. Irgendwie hat das auch nicht gefehlt.
- Das Infotainment-System – also Radio, Navigationsgerät, Informationen und Einstellung für das Fahrzeug – tut eigentlich das, was es soll. Allerdings ist das Gesamtkonzept im Zusammenwirken der Schalter, Touch, Schiebeeinstellungen, Knöpfe etc. allzu divers. Selbst die wichtigsten Einstellung sind in den Menüs nur mittelbar zu finden. Da besteht auf jeden Fall noch Handlungsbedarf.
Fazit: Das Auto fährt gut und sehr ruhig. Das Piepsen bei geringen Geschwindigkeiten (gab es beim e-Golf (2017) noch nicht) ist schon relativ eindringlich. Bei vielen e-Autos in einer verkehrsberuhigten Zone oder demnächst in ganzen Stadtgebieten mit Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h kann es möglicherweise ungewohnt laut werden. Dann doch lieber Verbrenner? Den hört man nicht wenn er 30 km/h fährt, riecht ihn allerdings.