Das Zornsche Lemma

In diesem Beitrag möchte ich meine Staatsexamensarbeit in Mathematik öffentlich machen. Als ich in den 1970er Jahren in Köln studierte, war in den Schulen die sog. „Mengenlehre“ besonders aktuell, weil damit eine grundlegende Einführung in das Rechnen und allgemein in das mathematische Denken möglich schien. Leider ist davon bis heute nicht mehr viel übrig geblieben, was auch damit zusammenhing, dass man seitens der damaligen Kultusministerien wollte, dass Mengenlehre möglichst für alle Zwecke eingesetzt werden sollte. Die Möglichkeiten sind hierbei gegeben, setzen aber in besonderem Maße abstrakte Begriffsbildungen voraus, denen nicht alle Beteiligten einen sinnvollen Einsatz abgewinnen konnten. Schade eigentlich, denn im richtigen Maß eigesetzt, ist es eine recht anschauliche und effektive Möglichkeit, in mathematische Strukturen Einblick zugewinnen.

Wie Mengenlehre – im Rahmen einer axiomatischen Mengenlehre an der Hochschule – funktioniert, kann man beispielhaft an meiner Examensarbeit nachempfinden. Das Zornsche Lemma (äquivalent dazu: das Auswahlaxiom) ist eine der grundlegenden Aussagen, die im Mathematikstudium an verschiedenen Stellen vorkommt – ohne die etwa eine „vernünftige“ Analysis nicht aufgebaut werden kann. Da der Beweis ausgesprochen lang ist, wird in der Regel auf eine Ausführung in den Vorlesungen verzichtet. Für Interessenten sind also hier verschiedene Beweise komplett ausgeführt.

Die Arbeit habe ich geschrieben, nachdem ich im Hauptstudium 2 Semester axiomatische Mengenlehre studiert und ein Seminar zu „Äquivalente zum Auswahlaxiom“ bei Prof. Ewald Burger (1921–1981) und Prof. Manfred Armbrust, Köln besucht habe.

Inhalt:

  1. Einleitung
  2. Vorbereitende Definitionen und Hilfssätze
    1. Allgemeines
    2. Ordnungen
    3. Eigenschaften von Anfangsstücken
  3. Knesers Beweis des Zornschen Lemmas aus dem Auswahlaxiom
  4. Beweise des Zornschen Lemmas mit der Funktions-Ketten-Methode
    1. Das Lemma von Tong
      1. Isomorphismen wohlgeordneter Mengen
      2. Beweis nach Powderly mit Lemma von Tong
    2. Beweis nach Weston
    3. Beweis nach Szele
    4. Beweis nach Kneser mit Fixpunktsatz
    5. Beweis nach v. d. Waerden mit Fixpunktsatz
  5. Beweise des Zornschen Lemmas mit der Turm-Methode
    1. Beweis nach Bourbaki mittels Fixpunktsatz
    2. Beweis nach Halmos
    3. Beweis von Z4 mit Fixpunktsatz
    4. Beweis von Z5 mit Fixpunktsatz
  6. Äquivalenz der Formen des Zornschen Lemmas untereinander
  7. Beweis des Auswahlaxioms aus dem Zornschen Lemma

Hier zur Information die Einleitung der Arbeit:

In der mathematischen Literatur erschien zum ersten mal im Jahre 1914 ein Maximalprinzip.  F. Hausdorff (1914) bewies mittels des Wohlordnungssatzes („Jede Menge kann wohlgeordnet werden“) von Zermelo (1904) den Satz: „Jede partialgeordnete Menge besitzt eine (Inklusions-) maximale totalgeordnete Teilmenge“. Kuratowski (1922) leitete ebenfalls ein Maximalprinzip ähnlich zu Z2 (s.u.) aus dem Wohlordnungssatz  her. M. Zorn war der erste, der vermutete, dass ein Maximalprinzip das Auswahlaxiom  impliziert. Er behauptete (ohne Beweis), dass Z4 (s.u.) zum Auswahlaxiom  äquivalent ist. (Ein Beweis wurde von ihm aufgeschrieben, jedoch nie veröffentlicht.)  Später nannten Bourbaki (1939) und Tukey (1940) ein Maximalprinzip „Zornsches  Lemma“. Dieser Name ist bis heute geblieben für eine gewisse Art von Maximalprinzipien,  die hier in dieser Arbeit behandelt werden sollen. Das Zornsche Lemma (1) wird  oft im Rahmen von zwei weiteren wichtigen Aussagen behandelt. Diese sind das Auswahlaxiom (2) und der Wohlordnungssatz (3). Es ist heute bekannt, dass (1), (2) und (3) paarweise äquivalent sind.

Im Rahmen dieser Arbeit soll daher – ohne Verwendung des Wohlordnungssatzes und ohne Ordinalzahlen – versucht werden, eine Übersicht über die in den mathematischen Fachblättern und Lehrbüchern veröffentlichten Beweise des Zornschen Lemmas aus dem Auswahlaxiom zu gewinnen. Aus der Vielzahl der verschiedenen Beweise wird zunächst derjenige vorangestellt, von dem ich annehme, dass dieser der geeignetste ist, um einen anschaulichen Einstieg in die Beweisverfahren zu vermitteln, der ferner in der formal einfachsten Darstellung angegeben werden kann und schließlich die stärkste Fassung des Zornschen Lemmas liefert. Diese Bedingungen erfüllt meines Erachtens der von Kneser aufgezeigte Beweis. Danach können weitere ähnliche Beweise studiert werden, die ich unter dem Namen „Funktions-Ketten-Methode“ zusammenfasse. Der von Kneser gegebene Beweis ist dabei als Prototyp dieser Beweisverfahren anzusehen und nur aus den oben genannten Gründen wird diesem eine Sonderstellung in Abschnitt 3 eingeräumt. Als weitere Methode tritt das von mir mit „Turm-Methode“ bezeichnete Beweisverfahren auf, das im wesentlichen auf Bourbaki zurückgeht. Dabei ist es unvermeidlich, dass verschiedene Formen des Zornschen Lemmas auftreten und bewiesen werden. Also ergibt sich die Aufgabe zu zeigen, dass alle hier angegebenen Formen (insgesamt fünf) des Zornschen Lemmas untereinander äquivalent sind – unabhängig vom Auswahlaxiom.

Der Kreis wird geschlossen durch einen Beweis des Auswahlaxioms aus einer der äquivalenten Formen des Zornschen Lemmas.

Download: Das-Zornsche-Lemma-1 (Originalversion, einseitiger Druck)

Download: Das-Zornsche-Lemma-2 (an doppelseitigen Druck angepasstes Layout)