30.05.2017 Der bestellte e-Golf wird heute abgeholt. Wir hatten uns entschlossen, das Auto von Wolfsburg abzuholen, denn die Überführungskosten sind nicht von Pappe und auf diese Weise lassen sich schon etwa 300 € einsparen, wenn man preislich günstige Zugverbindungen nutzen kann. Unser Händler fand es recht ambitioniert, dass wir so aus dem Stand von WOB nach SG fahren wollten – ohne e-Auto Erfahrung über 350 km, laut Routenplaner 3 1/2 Std reine Fahrzeit für ein normales Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Um es vorweg zu nehmen: Wir sind angekommen, klar; anders wäre schlecht. Es gab aber doch die für e-Autos typischen Abenteuer. Aber der Reihe nach. Im Vorfeld hatte ich mich erkundigt, ob das Auto voll geladen sei, wenn wir es in Wolfsburg in Empfang nehmen. Sowohl mein Händler als auch die freundliche Stimme der AutoStadt-Disponentin konnten mich beruhigen. Meinen bzgl. e-Autos „allwissenden“ Sohn hatte ich noch wegen der Notwendigkeit einer Tankkarte befragt. Er meinte, dass es eine Charge&Fuel Card (von VW für VW-Kunden) gäbe, mit der man in Deutschland schon recht gut zurechtkommen kann. Mein Händler hatte so etwas nicht: „Die gibt es in Wolfsburg, wenn Sie das Auto abholen“. Zur Vorbereitung gehört auch ein Kennzeichen, welches der Händler besorgt hatte. Leider fehlte das „E“ am Ende. Offenbar ist hier in Solingen noch keiner so recht auf Elektromobilität eingestellt. Immerhin gibt es (abgesehen von wenigen Händlern) genau eine Typ 2 Ladesäule in Solingen (Stand: 05.06.2017).
Der Tag begann um 5.30 Uhr in Solingen Hauptbahnhof mit einem IC, der wegen eines Notarzteinsatzes umgeleitet wurde, also in Solingen nicht mehr fuhr. Wir konnten daher mit dem nächsten ICE fahren. Dieser stellte eine erheblich bessere Verbindung dar, die wir aber nicht geplant hatten, da die Fahrt dreimal so teuer gewesen wäre.
Nach der Anmeldung in der AutoStadt und einem gemütlichen französischen Frühstück (Das Brot) haben wir auf die gebuchte WerkTour gewartet. Diese Zeit haben wir genutzt, um im ZeitHaus „in Automobilgeschichte zu schwelgen“. In dieser Zeit zog ein heftiges Gewitter auf. Daher ist die WerkTour regelrecht ins Wasser gefallen und bescherte uns viel weitere Zeit zur Besichtigung anderer Pavillons und zur Suche nach Souvenirs, die mit dem vorgegebenen Kartenguthaben verrechnet werden könnten, was in der Regel nicht immer einfach ist. Nach der „berühmten Currywurst“ (unser Händler) im Tachometer warteten wir auf den e-Golf.
Ein mehrsprachiger, schnellredender, aber durchaus netter Auto-Übergeber (VW: Kundenbetreuer) machte ein Erinnerungsfoto und erklärte uns die Details: der Betreuer spielte „Klavier“ auf dem elektronischen, bunten Display, jonglierte gleichzeitig mit meinem Smartphone und deutete auf die Vielzahl von Knöpfen und Schaltern – so, jetzt wir!
Mein Blick fiel auf die Ladeanzeige, die das gleiche Aussehen wie eine Tankanzeige hat. Was ich da sah, bereitete mir Sorgen: 35 % konnte man ablesen. Ist das Auto etwa doch nicht geladen? Nun also schnell raus aus der Halle und zur nächsten Ladestation fahren. Es war ein interessantes, neues Gefühl. Elektroauto fahren macht tatsächlich Spaß.
Unmittelbar vor der Halle war eine Ladesäule. 3 Stunden Ladezeit (bis zu 80 %)? Mein Sohn fragte nach einem Schnelllader. Eine Kundenbetreuerin, die gerade vor Ort war , deutete auf eine andere Ladevorrichtung, die aber nur die Leistung einer einfachen Schukosteckdose liefern konnte. Mehr war nicht zu sehen. (Wir erfuhren hinterher, dass es in der Vorbereitungshalle eine Schnelladeeinrichtung gab. Es wurde einfach vergessen, das Auto während der Vorbereitungen zu laden. VW hat sich nachträglich mit einem Gutschein entschuldigt.) Aus der Not eine Tugend machen heißt: solange Eis essen, bis das Auto die Energie bis zur nächsten geplanten Ladesäule normal schaffen kann. In der Hoffnung, bei der Verwendung eines e-Autos nicht allzu dick zu werden, fuhren wir mit reichlich Stau und stockendem Verkehr nach Hannover.
Die Uni Hannover betreibt eine Schnellladesäule in Garbsen (Lise-Meitner-Straße 1, 30823 Garbsen). Leider war diese gerade von einem BMW i3 belegt. Mein Sohn wusste aber von einem VW-Händler (Autohaus Kahle) in unmittelbarer Nähe, der eine gleichartige Ladesäule kostenfrei für VW-Kunden anbietet. Hier benötigt man zum Freischalten allerdings eine Charge & Fuel Card, von der es bei der Auslieferung des Autos hieß: „Die geben wir nicht mehr aus.“ Nachfrage im Büro brachte auch nichts, da der e-Auto Fahrer der Firma die (einzige) Karte besitzt, aber bereits nach Hause gefahren war. Also wieder zurück zur Uni. Dort stand der i3 immer noch. Allerdings war der Ladestecker nicht verriegelt. Also konnten wir laden. Während der Ladeweile konnten wir uns mit einem an e-Autos Interessierten Mitarbeiter der Uni angeregt unterhalten. Nach dem Ladevorgang haben wir den i3 wieder als ladend getarnt, da er sonst im Halteverbot gestanden hätte . . .
Ganz „normal“ fahren wir weiter zum nächsten Ladestopp an der Autobahnraststätte Lipperland Nord bei Bad Salzuflen. Routiniert laden wir das Auto, um in der halben Stunde ein kleines Abendessen in der Raststätte einzunehmen. Beherzt fahren wir weiter bei abnehmender Verkehrsdichte bis zur Autobahnraststätte Lennhof West bei Hagen (A1), um dort noch ein wenig nachzuladen – man weiß ja nie. Wir fahren durch die mit Lastwagen vollgestellte Raststätte und sehen – nichts. Kurz bevor es wieder auf die Autobahn geht, entdecken wir rechter Hand etwas verdeckt neben einem parkenden Lastwagen die Ladesäule. Sie war frei und wir konnten vorsichtig rückwärts heranfahren. Nach kurzem Laden ging es weiter. Die letzten 50 km konnte man ohne weiteres Nachdenken nach Hause fahren. Wir kamen gegen 22.30 Uhr nach 7 Stunden Fahrt an. Der Routenplaner hatte 4,5 bis 5 Stunden angegeben. Er wusste natürlich nichts von einem anfänglich ungeladenen Auto , dem Problem mit dem Laden und dem Stau in Hannover. 2 Stunden kann man dafür aber durchaus ansetzen.
Fazit: Nach dem aktuellen Stand der Ladesäulenversorgung benötigt man für eine über 200 km lange Reise Zeit für eine gründliche Planung und Zeit zum Reisen. Falls man diese Zeit nicht aufbringen kann, sollte man mit der Bahn fahren – auch wenn es manchmal heißt: „Der Zug fällt aus.“